β. Reflexionsschluß
§ 190

Die Mitte so zunächst 1. nicht allein als abstrakte, besondere Bestimmtheit des Subjekts, sondern zugleich als alle einzelnen konkreten Subjekte, denen nur unter anderen auch jene Bestimmtheit zukommt, gibt den Schluß der Allheit. Der Obersatz, der die besondere Bestimmtheit, den terminus medius, als Allheit zum Subjekte hat, setzt aber den Schlußsatz, der jenen zur Voraussetzung haben sollte, vielmehr selbst voraus. Er beruht daher 2. auf der Induktion, deren Mitte die vollständigen Einzelnen als solche, a, b, c, d usf. sind. Indem aber die unmittelbare empirische Einzelheit von der Allgemeinheit verschieden ist und darum keine Vollständigkeit gewähren kann, so beruht die Induktion 3. auf der Analogie, deren Mitte ein Einzelnes, aber in dem Sinne seiner wesentlichen Allgemeinheit, seiner Gattung oder wesentlichen Bestimmtheit, ist. - Der erste Schluß verweist für seine Vermittlung auf den zweiten und der zweite auf den dritten; dieser aber fordert ebenso eine in sich bestimmte Allgemeinheit oder die Einzelheit als Gattung, nachdem die Formen äußerlicher Beziehung der Einzelheit und Allgemeinheit in den Figuren des Reflexionsschlusses durchlaufen worden sind.

Durch den Schluß der Allheit wird der § 184 aufgezeigte Mangel der Grundform des Verstandesschlusses verbessert, 8/341 aber nur so, daß der neue Mangel entsteht, nämlich daß der Obersatz das, was Schlußsatz sein sollte, selbst voraussetzt als einen somit unmittelbaren Satz. - "Alle Menschen sind sterblich, also ist Gajus sterblich", "alle Metalle sind elektrische Leiter, also auch z. B. das Kupfer". Um jene Obersätze, die als Alle die unmittelbaren Einzelnen ausdrücken und wesentlich empirische Sätze sein sollen, aussagen zu können, dazu gehört, daß schon vorher die Sätze über den einzelnen Gajus, das einzelne Kupfer für sich als richtig konstatiert sind. - Mit Recht fällt jedem nicht bloß der Pedantismus, sondern der nichtssagende Formalismus solcher Schlüsse [wie] "Alle Menschen sind sterblich, nun aber ist Gajus usw." auf.

Zusatz. Der Schluß der Allheit verweist auf den Schluß der Induktion, in welcher die Einzelnen die zusammenschließende Mitte bilden. Wenn wir sagen: "alle Metalle sind elektrische Leiter", so ist dies ein empirischer Satz, welcher aus der mit allen einzelnen Metallen vorgenommenen Prüfung resultiert. Wir erhalten hiermit den Schluß der Induktion, welcher folgende Gestalt hat:

B - E - A
E
E
·
·
·

Gold ist Metall, Silber ist Metall, ebenso Kupfer, Blei usw. Dies ist der Obersatz. Dazu kommt dann der Untersatz: "alle diese Körper sind elektrische Leiter", und daraus resultiert der Schlußsatz, daß alle Metalle elektrische Leiter sind. Hier ist also die Einzelheit als Allheit das Verbindende. Dieser Schluß schickt nun gleichfalls wieder zu einem anderen Schluß fort. Er hat zu seiner Mitte die vollständigen Einzelnen. Dies setzt voraus, daß die Beobachtung und Erfahrung auf einem gewissen Gebiet vollendet sei. Weil es aber Einzelheiten sind, um die es sich hierbei handelt, so gibt dies wieder den Progreß ins Unendliche (E, E, E ...). Bei einer Induktion können die Einzelheiten niemals erschöpft werden. Wenn man sagt: alle Metalle, alle Pflanzen usw., so heißt dies nur soviel als: alle Metalle, alle Pflanzen, die man bis jetzt kennengelernt hat. Jede Induktion ist deshalb unvollkommen. Man hat wohl diese und jene, man hat viele Beobachtungen gemacht, aber 8/342 nicht alle Fälle, nicht alle Individuen sind beobachtet worden. Dieser Mangel der Induktion ist es, welcher zur Analogie führt. Im Schluß der Analogie wird daraus, daß Dingen einer gewissen Gattung eine gewisse Eigenschaft zukommt, geschlossen, daß auch anderen Dingen derselben Gattung dieselbe Eigenschaft zukommt. So ist es z. B. ein Schluß der Analogie, wenn gesagt wird: Man hat bisher bei allen Planeten dies Gesetz der Bewegung gefunden, also wird ein neu entdeckter Planet sich wahrscheinlich nach demselben Gesetz bewegen. Die Analogie steht in den empirischen Wissenschaften mit Recht in großem Ansehen, und man ist auf diesem Wege zu sehr wichtigen Resultaten gelangt. Es ist der Instinkt der Vernunft, welcher ahnen läßt, daß diese oder jene empirisch aufgefundene Bestimmung in der inneren Natur oder der Gattung eines Gegenstandes begründet sei, und welcher darauf weiter fußt. Die Analogie kann übrigens oberflächlicher oder gründlicher sein. Wenn z. B. gesagt wird: der Mensch Gajus ist ein Gelehrter; Titus ist auch ein Mensch, also wird er wohl auch ein Gelehrter sein, so ist dies jedenfalls eine sehr schlechte Analogie, und zwar um deswillen, weil das Gelehrtsein eines Menschen gar nicht ohne weiteres in dieser seiner Gattung begründet ist. Dergleichen oberflächliche Analogien kommen gleichwohl sehr häufig vor. So pflegt man z. B. zu sagen: Die Erde ist ein Himmelskörper und hat Bewohner; der Mond ist auch ein Himmelskörper; also wird er wohl auch bewohnt sein. Diese Analogie ist um nichts besser als die vorher erwähnte. Daß die Erde Bewohner hat, beruht nicht bloß darauf, daß sie ein Himmelskörper ist, sondern es gehören dazu noch weitere Bedingungen, so namentlich das Umgebensein mit einer Atmosphäre, das damit zusammenhängende Vorhandensein von Wasser usw., und diese Bedingungen sind es gerade, welche dem Mond, soweit wir ihn kennen, fehlen. Was man in der neueren Zeit Naturphilosophie genannt hat, das besteht zum großen Teil in einem nichtigen Spiel mit leeren, äußerlichen Analogien, welche gleichwohl als tiefe Resultate gelten sollen. Die philosophische Naturbetrachtung ist dadurch in verdienten Mißkredit geraten.